Freitag, 2. Januar 2015

Avifauna Germanica VIII: Regenpfeiferartige (Charadriiformes) I

Ordnung: Regenpfeiferartige (Charadriiformes)

Die Regenpfeiferartigen sind eine der größten und vielfältigsten Vogelordnungen und umfassen so unterschiedliche Familien wie die Regenpfeifer, Schnepfen, Möwen und Alke. Auch bei uns kommen so viele Arten vor, dass wir die nicht in einem Ruck schaffen, also hier Teil Eins: Möwen und Seeschwalben, die teilweise auch gemeinsam in eine Familie gestellt werden. Alle Arten bis auf die Mittelmeermöwe haben wir auf Spiekeroog beobachtet.

Familie: Möwen (Laridae)


Lachmöwe (Chroicocephalus ridibundus)
Lachmöwe im Prachtkleid
Lachmöwe im Schlichtkleid
Unsere kleinste und eine unserer häufigsten Möwen ist die Lachmöwe, die sowohl an der Küste, als auch im Binnenland vorkommt und im Prachtkleid leicht an ihrem dunkelbraunen Kopf erkannt werden kann. Im Schlichtkleid ist ihr Kopf weiß mit dunklem "Ohrfleck". Lachmöwen sammeln ihre Nahrung meist im flachen Wasser watend, aber auch schwimmend oder an Land und sind dabei nicht besonders wählerisch.
Der Name spricht ursprünglich wohl tatsächlich auf ihre Lautäußerungen an, auch wenn wir das Möwenkrächzen heute nicht mehr als "Lachen" bezeichnen würden. Da sie im Binnenland auch an relativ kleinen Gewässern vorkommen, passt die Assoziation mit "Wasserlache" heute eigentlich besser.

Silbermöwe (Larus argentatus)
Silbermöwe (Larus argentatus)
Die Silbermöwe ist wahrscheinlich dieMöwe, die den meisten beim Wort "Möwe" zuerst einfällt, zumindest, wenn es um die Nord- oder Ostseeküste geht. Die kräftigen Möwen mit weißem Kopf haben einen gelben Schnabel mit rotem Fleck auf dem Unterschnabel, fleischfarbene Beine und silbergraue Flügeldecken. Der rote Fleck auf dem Unterschnabel, den viele große Möwenarten aufweisen, wirkt als Signal für Jungtiere um ihren Schnabel aufzusperren.
Silbermöwe mit Jungvogel
Silbermöwen kommen an der Küste und in Küstennähe vor und fressen so ziemlich alles, was sie kriegen können, im Watt gerne Muscheln, die sie mit Schale schlucken und im Kaumagen knacken, wonach sie die Schalenstückchen ausspeien. Auf Spiekeroog haben wir so einen Speibrocken auch gefunden, aber leider ist er vor dem Foto zerfallen...

Mittelmeermöwe (Larus michaehellis)
Mittelmeermöwe (Larus michahellis)
Die Mittelmeermöwe ist der Silbermöwe äußerlich sehr ähnlich, hat aber gelbe Beine und ist etwas kleiner und schlanker. Tatsächlich wird sie erst seit kurzem als eigene Art von der Silbermöwe unterschieden. Sie kommt im Mittelmeerraum vor, aber auch in Mitteleuropa im Inland bis Süddeutschland und teilweise weiter nördlich. In Heidelberg sind sie regelmäßig anzutreffen und in Köln haben wir sie auch gesehen.
Bei uns ist sie von den Lachmöwen leicht durch ihre deutlich größere und kräftigere Gestalt und den gelben Schnabel zu unterscheiden. Außerdem sind Mittelmeermöwen im Binnenland meist einzeln oder zu zweit unterwegs im Gegensatz zu den deutlich geselligeren Lachmöwen.

Heringsmöwe (Larus canus)
Heringsmöwe (Larus canus)
Der Silbermöwe ähnlich, aber nicht besonders eng mit ihr verwandt und von ihr durch schlankere Gestalt, die gelben Beine und dunkelgrauen Flügel unterscheidbar, ist die Heringsmöwe ein weiterer Küstenbewohner. Heringsmöwen haben relativ lange Flügel, die zusammengelegt den Schwanz deutlich überragen, sind bessere Flieger als Silbermöwen und daher geschickter darin, Fische zu fangen. Zudem ziehen sie im Winter größere Strecken in den Süden. Während der Zugzeit kommen daher bei uns verschiedene Unterarten mit verschieden dunklen Flügeln - von etwas dunkler als bei der Silbermöwe bis fast schwarz - vor.

Mantelmöwe (Larus marinus)
Mantelmöwe (Larus marinus)
Die Mantelmöwe ist nicht nur unsere, sondern überhaupt die größte Möwe und kommt in Nordeuropa und dem östlichen Nordamerika vor. An die Nordseeküste kommt sie vor allem außerhalb der Brutzeit, welche sie weiter nördlich verbringt. Insgesamt sind sie im Vergleich zu den anderen Möwenarten am stärksten an die Küste gebunden.
Mantelmöwen sind groß und kräftig mit relativ kurzen Flügeln, haben sehr dunkle Flügeldecken, einen massigen Schnabel und fleischfarbene Beine. Sie sind ähnlich opportunistische Fresser wie die anderen Möwenarten und können diesen auf Grund ihrer Größe und Kraft immer wieder Beute abjagen. Tatsächlich können sie sogar Vögel bis zur Entengröße erbeuten.

Sturmmöwe (Larus canus)
Sturmmöwe (Larus canus)
Nur wenig größer als eine Lachmöwe ist die Sturmmöwe zierlicher als Silber- oder Heringsmöwe mit gelb- bis gelbgrünem Schnabel und Beinen. Auch das dunkle Auge trägt dazu bei, dass sie deutlich freundlicher wirkt, als die größeren Larus-Arten. Im Schlichtkleid ist der sonst reinweiße Kopf grau gefleckt. 
Die anpassungsfähigen Sturmmöwen kommen in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika vor und finden sich bei uns vorwiegend an der Küste, aber regelmäßig auch im Binnenland.

Familie: Seeschwalben (Sternidae)

Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger)
Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger)
Die Trauerseeschwalbe ist eine relativ kleine Seeschwalbe, die im Prachtkleid leicht an ihrem schwarzen Kopf und den dunkelgrauen Flügeln zu erkennen ist - das Schlichtkleid ist schwierig sicher von anderen Seeschwalben zu unterscheiden. In Mitteleuropa kommt sie sehr selten als Brutvogel und vor allem als Durchzügler vor und das Exemplar auf dem Bild ist das einzige, das mir bisher begegnet ist. Ich konnte es am Wehrsteg in Heidelberg aufnehmen.
Trauerseeschwalben ernähren sich von Insekten und kleinen Fischen, die sie im Flug aus der Luft oder an der Wasseroberfläche fangen, was auch dieses Tier mit beeindruckenden Flugmanövern vorgeführt hat.

Fluss-Seeschwalbe (Sterna hirundo)
Fluss-Seeschwalbe (Sterna hirundo)
Die Fluss-Seeschwalbe kommt an der Küste und im Binnenland vor und ist als schlankes, elegantes Tier typisch für die Seeschwalben.  Sie ist etwas kleiner als die Küstenseeschwalbe und hat etwas kürzere Flügel und Schwanzspitzen, dafür aber etwas längere Beine und eine schwarze Schnabelspitze. Im Schlichtkleid ist außerdem die Stirn weiß.
Fluss-Seeschwalben ernähren sich vor allem von Fischen, die sie stoßtauchend fangen. Sie verbringen nur den Sommer bei uns und ziehen über den Winter in die Tropen und die gemäßigten Breiten der Südhalbkugel - was schon eine ganz beeidruckende Zugleistung darstellt.

Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea)
Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea)
Küstenseeschwalben nutzen den Sommer in den polaren Regionen, da sie hier bei langen Tagen und reichen Fischvorkommen gut jagen können. Das einzige Problem dabei ist, dass man dazu eben von der Arktis zur Antarktis und zurück ziehen muss. Früher ging man daher davon aus, dass die Tiere bis zu 30.000 km pro Jahr ziehen, heute weiß man auf Grund von Messungen mit Sendern, dass das so nicht stimmt und dass manche Tiere 80 bis 90.000 km pro Jahr zurücklegen - das ist ein viertel der Strecke Erde-Mond oder fast 250 km pro Tag des Jahres! Das bringt die Küstenseeschwalbe auf Platz 3 meiner persönlichen Liste der verrücktesten Vögel (Nach dem Kaiserpinguin auf Platz 2 für "Hmm, wenn ich bei -60°C in der Antarktis brüte, habe ich ja gar keine Fressfeinde!" und Platz 1 für den Rubinkehlkolibri für "3 Gramm Körpergewicht reichen, um non-Stop 1000 km über den Golf von Mexiko zu fliegen!" - Ja, für Vögel läuft Chuck Norris unter "jämmerliches Weichei"...).

Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis)
Zwei Brandseeschwalben unter Lachmöwen
Die Brandseeschwalbe ist etwas größer und kräftiger als Fluss- oder Küstenseeschwalbe und fällt neben dem schwarzen Federstreifen vom Auge bis zum zotteligen Hinterkopf durch den dunkeln Schnabel mit der gelben Spitze auf. Sie brütet an den nördlichen europäischen Küsten und zieht im Winter den Atlantik bis nach Südafrika herunter. Der lateinische und auch der englische Name ("sandwich tern") beziehen sich auf den Ort Sandwich in England, wo die Art zuerst beschrieben wurde.

So, das war es für heute. Nächstes Mal kommen wir zu den Schnepfenvögeln und dann zu den Regenpfeifern, macht Euch also auf viel rumgestakse im Schlick gefasst!

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